Mehrgenerationenhäuser?

Was ist eigentlich ein Mehrgenerationenhaus?

Seit 2007 fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mit dem bundesweiten Programm Mehrgenerationenhäuser die Begegnung von Jung und Alt in geeigneten Häusern. Ziel dieses Aktionsprogramms ist es, den Zusammenhalt zwischen allen Generationen auch außerhalb der Familie zu stärken.

Ein Mehrgenerationenhaus arbeitet als offenes Haus für Menschen jeden Alters, jeder sozialer Herkunft und jeder Kultur und Sprache nach dem Prinzip der Selbsthilfe. Dabei lebt es von der familiären Atmosphäre, lädt ein zum Treffen mit und ohne Kinder, gibt Raum und Gelegenheit für Gespräche, fordert auf zum Mitmachen und Gestalten. Mit seinen vielfältigen Begegnungs- und Kontaktmöglichkeiten hilft ein Mehrgenerationenhaus, viele Strukturen einer Großfamilie in das moderne, städtische Sozialleben zu übertragen.

Ein Schwerpunkt der Angebote eines Mehrgenerationenhauses liegt auf der Vermittlung von Dienstleistungen rund um Haushalt und Familie, um Mütter und Väter zum Beispiel durch die Vermittlung von Haushaltshilfen, Wäscheservice oder Kinderbetreuung zu entlasten. Dabei richten sich die Angebote ganz nach den Bedürfnissen der Menschen vor Ort.

Ein Mehrgenerationenhaus wird von seinen Besuchern gestaltet und verwaltet: In jedem Alter kann jeder Mensch irgendetwas, das er in die Gemeinschaft einbringen kann. Egal ob jemand kleine oder große Aufgaben übernimmt, sich verantwortlich für einen Bereich einsetzt oder sich sogar an der Organisation des gesamten Projekts beteiligt. Das gemeinsame Leben im „Offenen Treff“ ist ein Prozess, den alle Beteiligten miteinander gestalten.

Unser Leitbild: „Wir leben Leben.“

Das Leitbild ist das Dach, welches uns als Teil einer großen Bewegung zusammenhält und unter dem sich jedes Zentrum, ob mit kleinem Angebot oder großem Haus, wieder finden kann. Nachfolgend ein kleiner Auszug aus dem Leitbild darüber, was wir sind und was uns ausmacht.

Konkrete Prinzipien für unsere Arbeit:

  • Türen und Räume sind täglich für jeden geöffnet. Zugangsschwellen werden herabgesetzt und die Kontaktaufnahme gefördert.
  • Lernen erfolgt durch Zuschauen, Mitmachen und eigenes Agieren.
  • Menschen werden durch ihre eigenen Lernerfahrungen zu PraxisexpertInnen.
  • PraxisexpertInnen und Profis sind gleichwertig und begegnen sich auf Augenhöhe.
  • Qualität misst sich in Ergebnissen, nicht in Zertifikaten oder Formalien.
  • Formale Hierarchien werden weitgehend vermieden. Alle sollen sich einbringen.
  • Entscheidungskompetenz erwirbt sich jeder durch Übernahme von Verantwortung und erzielte Resultate.
  • Jede:r kann etwas einbringen und wird dafür geschätzt. Leistungen und Beiträge anderer werden auf vielfältige Weise anerkannt.
  • Der Wechsel von Geben und Nehmen ist im eigenen Rhythmus möglich.

Forschungsobjekt Mehrgenerationenhaus

Forschungsobjekt: Mütterzentren/Mehrgenerationenhäuser

Seit ihrem Bestehen sind Mütterzentren/Mehrgenerationenhäuser Forschungsgegenstand verschiedener Institutionen. Die Zusammenarbeit zwischen Theorie und Praxis ist für beide Seiten fruchtbar. Zwei aktuelle Beispiele kommen aus Hamburg und Salzgitter.

Nachbarschatz reagiert auf gesellschaftliche Trends

In einem Seminar über die Konsequenzen des demographischen Wandels untersuchten Studenten der Bundeswehr Universität die Wirkung des Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser am Beispiel des MGH Nachbarschatz in Hamburg Eimsbüttel. (hier geht’s zur Studie)

Fünf Trends formulierten die Studenten am Anfang ihrer Arbeit: die „Verjüngung des Alters“, also die Tatsache, dass Menschen auch bis ins hohe Alter aktiv sind, immer mehr Menschen, finanziell abgesichert früh in die Rente gehen, sowie Vereinzelung, mangelnde Kontakt zur Familie und eine Feminisierung des Alters, weil Frauen eine höhere Lebenserwartung haben.

Die Studenten gingen der Frage nach, ob der Nachbarschatz der Idee gerecht wird, eine Art Dorfgemeinschaft für den Stadtteil Eimsbüttel zu schaffen, um so der Vereinsamung entgegenzuwirken und die Potenziale der Einwohner zu nutzen. Dafür wurde untersucht, wer sich wie im Nachbarschatz aktiv einbringt.

Mehr als die Hälfte der Nutzer und Aktiven sind zwischen 30 und 49 Jahren, zum großen Teil weiblich und fungiert als Mittler zwischen allen anderen Generationen. 67% der Befragten besuchen schon seit über einem Jahr den Nachbarschatz und geben ihm eine bedeutende Rolle in ihrem Leben. 20% der Besucher, so die Studenten, können zur bildungsfernen Schicht gezählt werden. Positiv sei, dass die älteren Besucher aktiv in die Kinderbetreuung einbezogen werden. Sie sind es auch, die für die die haushaltsnahen Dienstleistungen besonders wichtig sind.

Das Fazit der Studenten: Der Nachbarschatz ist ein öffentlicher Treffpunkt mit familiärer, weltoffener Atmosphäre, wo Begegnung, interkultureller Austausch, Betreuung, Beratung und Bildung ohne Berührungsängste stattfinden kann.

Von der Mütterzentrumsgründerin zur Sozialunternehmerin

Eine von der Hans Böckler Stiftung geförderte und der Freien Universität durchgeführte Studie geht der Frage nach, wie Sozialunternehmer den öffentlichen Dienst beeinflussen und verändern können. Dafür wurde Hildegard Schooss interviewt. Als geistige Patin des Konzepts der Mütterzentren und Mehrgenerationenhäuser gilt sie als Expertin für den Bereich soziale Verantwortungsübernahme und privates Bürgerengagement. Die Ergebnisse der Studie werden Anfang nächsten Jahres veröffentlicht. (bs)